Wildernde Tiere

Als Vorwarnung zu diesem Artikel über wildernde Tiere möchte ich Sie warnen:
die hier gezeigten Bilder sind nicht schön anzusehen.
Ich finde es jedoch wichtig, dass man sich vor Augen führt was es heisst 
'... ein Tier wurde gerissen'

Immer wieder lesen wir in den Zeitungen von Hunden die im Wald wildern. Aber ist es immer nur der Hund der wildert? Gibt es auch andere Tierarten die Wildern?

Typisch

Auch heute habe ich wieder eine ‘nette’ Begegnung gehabt:

  • Labrador nicht angeleint.
  • Dem Besitzer 15m voraus.
  • Besitzer in ein Gespräch vertieft.
  • Im Wildschutzgebiet.
  • Zur Setzzeit.

Der Hund hat sich nicht gross um uns gekümmert, er war mit sich selbst beschäftigt.

Aber dieses Bild ist in meinen Augen symptomatisch für das Problem über das ich hier schreiben möchte: Der Hund – wir werden später auch sehen das es nicht nur der Hund ist – wird mehr oder weniger unbeaufsichtigt in die Natur entlassen.

Die Ausrede

MEIN HUND JAGT NICHT...

Irrtum, jeder Hund ist ein Jäger. Das ist nun mal seine Art wie er zur Nahrung kommt. Sei es nun der Käfer der durch die ganze Wohnung verfolgt wird, sei es Nachbars Katze der man mal wieder zeigen muss in welchen Garten sie gehört – der Hund ist ein Jäger.

Wir müssen und sollen uns damit abfinden. Dieses Verhalten ist natürlich und angeboren und der Hund soll möglichst natürlich gehalten werden.

Aber, und nun sind wir wieder beim Thema: Jagen und Wildern das sind zweierlei Dinge.

Die Jagd findet unter Aufsicht und Leitung des Menschen statt.
Die Wilderei ist unkontrolliert und wird vom Hund autonom ausgeführt.

‘Nur’ Bellen und Stöbern am Waldrand

“Aber er bellt doch nur und die paar Meter die er in den Wald geht sind doch nicht so schlimm, ich sehe ihn ja immer.”

Das ist die gängige ‘Ausrede’ die man von einem Hundebesitzer hört wenn sein Hund mal eben im Wald verschwindet.

Der Besitzer sieht seinen Hund, das mag stimmen. Aber die Möglichkeit, das die Rehgeiss die nah am Waldrand wartet um zu ihrem abgelegten Kitz zu gelangen den Hund auch sieht, an das denkt mancher Hundebesitzer nicht.
Die Rehgeiss flüchtet und verfängt sich 300m weiter in einem Schafnetz und verendet jämmerlich…
Was mit dem Kitz geschieht kann man sich wohl selbst vorstellen.

Jahreszeiten

Für die Schadensart den Haustiere anrichten ist unter anderem auch die Jahreszeit ausschlaggebend.

Während der Setzzeit steht ganz klar das Kitz im Vordergrund. Wird es von Hunden gefunden ist es meist sein Todesurteil. Wird die Rehgeiss von Hunden davon abgehalten sein Junges zu versorgen ist der Ausgang der Geschichte ebenfalls ungewiss.

In den kalten und Nahrungsarmen Jahreszeiten ist jegliche Wildart die nicht im Winterschlaf überwintert darauf angewiesen mit den Kräften sparsam umzugehen. Wenn hier Wintereinstände durch Haustiere – und auch Menschen (Wanderer, Ski- und Schneeschuhenthusiasten) – gestört und zur Flucht gezwungen werden, kann das ebenfalls ihr Todesurteil sein.

Ganzjährig sind Hunde in der Lage ein Wildtier zu hetzten und zu töten…

Wildriss

Ein verstörendes Ereignis dieser Art hat sich im Winter 2018 in Österreich abgespielt:

Wildernde Tiere
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Das Reh war nicht mehr zu retten und musste durch einen Jäger mittels Kammerstich erlöst werden.

Es sind immer wieder die selben Bilder die man sieht – Hunde reissen Wild.

In Zahlen

Wildernde Tiere
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Fallwildstatistik 2017 – Rehe gerissen von Hunden
Wildernde Tiere
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Fallwildstatistik 2017 – Wildscheine gerissen von Hunden

Quelle: Eidg. Jagdstatistik

Es sind heftige Zahlen die man beim Reh sieht, das Wildschwein kann sich offenbar besser gegen wildernde Hunde verteidigen!

Was sind die Gründe?

Oftmals ist es schlichte Unkenntnis (Ignoranz könnte man es auch nennen) der Hundehalter. Wie oben schon erwähnt meinen immer noch viele – sogar langjährige – Hundehalter sie hätten ihren Liebling im Griff und er würde doch keinem anderen Tierchen etwas antun.

Hier wird immer wieder ausgeblendet oder verkannt dass das was man Zuhause als liebenswertes Familienmitglied mit dem Ball spielend kennt, in der Natur gerne mal seinem angeborenen Charakter spielen lässt – den eines Wolfes.

Obwohl Hunde Allesfresser sind ist ein Happen frisches Fleisch nach einer aufregenden und befriedigenden Jagd nicht zu verachten.

Aus diesem Grund möchte ich die Gründe die zum Wildern führen eher beim Hundehalter 
ausmachen - der Hund folgt nur seinem Instinkt...

Gefahr: Gefallen finden

Einmal ein Wild gerissen kann dazu führen, dass der Hund gefallen daran findet. Es sind nicht wenige Fälle belegt, in denen Hund nach dem ersten Wildriss wieder und wieder zugreifen. Aus diesem Grund ist es besonders wichtig, dass er schon gar nicht zum ersten mal kommt!

Die Rasse spielt keine Rolle

Wer nun glaubt, es müsse ein grosser Hund sein der Wildert irrt…

Jeder Hund ist ein potentieller Jäger. Auch ein Chihuahua kann im Wald schaden anrichten, es muss ja nicht das ausgewachsene Reh sein, ein Kitz ist leicht zu verletzten.

Nicht nur Hunde wildern

Ein Problem das bis jetzt nicht gross in die Öffentlichkeit gelangt ist: Hauskatzen die wildern!

Belegt: Katzen wildern

Eine Studie in Zeitschrift Nature Communications zu diesem Thema hat grosse Beachtung gefunden. Die Studie kommt zum Resultat das jährlich weltweit die unvorstellbare Zahl von 1,4 bis 3,7 Milliarden (!) Vögel von Hauskatzen getötet werden. Diese Zahl mag eventuell etwas zu hoch angesetzt sein, aber sie verdeutlicht trotzdem das Ausmass des Problems.

Laut dem Naturama Aargau töten die Büsi in der Schweiz pro Jahr 10 Millionen Mäuse, 3 Millionen Schmetterlinge, 1,8 Millionen Vögel und 600’000 Reptilien.

Es ist unbestreitbar, dass frei laufende Katzen eine grosse Gefahr für die Vogelbestände darstellen. Die wenigsten von ihnen sind reine ‘Stubentiger’. Auch satte, gut gefütterte Hauskatzen mit Auslauf gehen ihrem Jagdtrieb nach. Sie töten alles, was kleiner ist als sie, auch wenn sie die Beute dann liegen lassen.

Lage in der Schweiz

Die Umweltorganisation Network for Animal Protection schätzte für das Jahr 2014 den Bestand an verwilderten, herrenlosen und sonstigen nicht betreuten Katzen in der Schweiz auf rund 300’000.

Wie kommt es zu solch hohe Beständen?

Es sind zwei Faktoren die dazu führen.

  • nicht kastrierte Katzen vermehren sich rasend schnell.
  • Katzen werden vermehrt absichtlich ausgesetzt.

Nicht kastrierte Katzen

Wenn man von den Zahlen von Network for Animal Protection aus geht, werden in der Schweiz jährlich Rund 20’000 Katzen kastriert. Dies sind nicht einmal 15% der verwilderten, herrenlosen und sonstigen nicht betreuten Katzen in der Schweiz.

Jeder findet es süss, wenn Zuhause die kleinen Kätzchen das Licht der Welt erblicken. Es finden sich dann meist auch Leute die die Tierchen gerne zu sich nehmen. Was dann aber mit den Katzen vor dem nächsten Urlaub oder dem nächsten Wohnungswechsel geschieht ist oft nicht so schön…

Katzen werden ausgesetzt

Ein gängiges Muster das man auch immer wieder erleben kann, es werden Katzen angeschafft um sie bewusst draussen zu halten. Im Grundgedanken schön und sicherlich toll für die Katze. Aber wurde sie auch kastriert?

Aus der Tierschutzverordnung (TSchV) vom 23. April 2008 (Stand am 27. November 2018)

Art. 16 Verbotene Handlungen bei allen Tierarten 
f.
das Aussetzen oder Zurücklassen eines Tieres in der Absicht, sich seiner zu entledigen; 

Die Tierschutzorganisationen sehen es jedes Jahr aufs Neue: Die Ferienzeit steht vor der Türe, wohin nun mit der Katze? Immer wieder findet man diese – meist auch nicht kastriert – ausgesetzt, nach dem Motto ‘die kommt schon über die Runden, sie kann sich ja ein paar Mäuse fangen’

Was dann geschieht ist wohl jedem klar der ein wenig Sachverstand hat: die Katzen pflanzen sich fort und fressen sicherlich nicht nur Mäuse.

Vermischung mit dem Erbgut der Wildkatzen

Ein anders Thema das hinzu kommt ist nicht ausser Acht zu lassen: Die Vermischung des Erbgutes von Wildkatzen mit dem der Hauskatzen!

Die Wildkatze gilt in der Schweiz generell als ‘stark gefährdet’.

Nun droht ihnen eine Vermischung mit frei laufenden oder ganz frei lebenden Hauskatzen. Die aus solchen Paarungen entstehenden Mischlinge sind fruchtbar, so dass Wildkatzen-Erbgut verwässert werden kann.

Über die Bedrohung durch Hybridisierung bestehen jedoch noch widersprüchliche Forschungsergebnisse etwa aus Ungarn, Italien und Schottland.

Die gesetzliche Grundlage

Mit dem ‘Schweizer Jagdgesetz‘ – Bundesgesetz vom 20. Juni 1986 über die Jagd und den Schutz wildlebender Säugetiere und Vögel (Jagdgesetz, JSG)

Art. 5 Abs. 3 
Während des ganzen Jahres können gejagt werden:
    a.Marderhund, Waschbär und verwilderte Hauskatze;  

besteht die Basis zur Kontrolle der wildernden Katzen.

Aber wer will der Böse sein?

Für Jäger ist das Thema Katzen abschiessen ein heikles. Für die einen ist es ein notwendiges Übel für die anderen ist es schlicht Tierquälerei.

Das zweite kann man dann unterstützen wenn das Tier nur angeschossen wird und qualvoll verendet. Die Kontrolle über den Katzenbestand ist aber nur durch Kastrationskampagnen nur schlecht bis gar nicht zu bewältigen. Das Fangen durch das Aufstellen von Fallen klingt zwar einleuchtend und Tierschutzkonform, dürfte aber in Anbetracht des Aufwandes problematisch sein – insbesondere deshalb weil nicht alle Katzen wieder einen Besitzer finden werden.

Abschuss als letztes Mittel

Aus meiner Sicht ist der Abschuss von verwilderten Katzen im Bereich von Wäldern und Naturschutzgebieten gerechtfertigt und nötig – aber er sollte das letzte Mittel sein.

Vorab muss Absatz 4 des Jagdgesetzes (zb. Kanton Basel-Landschaft) angewandt werden:

 § 38 Schutz des Wildes vor Hunden und Hauskatzen
 1 Während der Hauptsetz- und Brutzeit (1. April bis 31. Juli) sind alle Hunde im Wald und an Waldsäumen an der Leine zu führen.
 2 Der Gemeinderat kann in Absprache mit der Jagdgesellschaft, den Naturschutzkreisen und der zuständigen Fachstelle Gebiete bezeichnen, in denen während der Hauptsetz- und Brutzeit die Leinenpflicht nicht gilt.
 3  Hunde, die nicht unter Kontrolle gehalten werden können und die Wege verlassen, sind generell an der Leine zu führen.
 4 Im Wald wildernde bzw. streunende Hunde dürfen nach erfolgloser Mahnung oder wenn die Besitzverhältnisse nicht geklärt werden können durch die Jagdaufsicht abgeschossen werden. Der Regierungsrat erlässt ergänzende Bestimmungen.
 5 Durch Hunde verursachte Schäden am Wildbestand hat die Halterin oder der Halter der Jagdgesellschaft zu vergüten.
 6 Im Wald dürfen streunende, verwilderte Hauskatzen durch die Jagdaufsicht abgeschossen werden.
 7 Die Gemeinden kontrollieren die Einhaltung der Leinenpflicht gemäss Absatz 1.

Quelle: Jagdgesetz Kanton Basellandschft

Der Abschuss muss jedoch wie bei jeder anderen jagdlich bewirtschafteten Tierart nach den in der Jagd ethischen Grundsätzen vollzogen werden.

§ 21 Waidgerechtigkeit
 1 Die Jagdberechtigten wenden alle Sorgfalt an, um dem Tier unnötig Angst, Leid, Schmerzen und Störungen zu ersparen und seine Würde zu bewahren.
 2 Sie sind dafür besorgt, dass ihre Schiessfertigkeit den Anforderungen genügt.
 3 Sie tragen insbesondere die Verantwortung für eine zeit- und fachgerechte Nachsuche. 

Quelle: Jagdgesetz Kanton Basellandschft

Heikel bleibt es…

Leider sind Artikel wie den, den ich hier schreibe nicht sehr beliebt. Jäger fühlen sich (oft zu Recht) angegriffen, Tierschützer fühlen sich (oft zu Recht) nicht verstanden.

Wenn man dann noch mit sachlichen Argumenten oder gar Fakten kommt wird man eh in eine Ecke gestellt in die man nicht passt oder passen will…

Ich habe diesen Artikel bewusst geschrieben, da ich erfahren habe wie nicht darüber gesprochen wird.

Selbst in geschlossenen Facebook Gruppen traut man sich nicht über dieses Thema zu sprechen…

Für mich ein Sinnbild der Welt von heute – traurig!

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